Donnerstag, 5. April 2012


Töperfwespen-Nester auf historischem Weilmünsterer Grenzstein


Bauwerke aus Ton von Bienen und Wespen
in Weilmünster (Taunus) und Umgebung

Eine Internet-Publikation des CID Verlages
aus der Schriftenreihe "NATUR DES WEILTALES"
von
Dipl. Biol. Peter Ulrich Zanger



Ebenso wie sich Tiere und Pflanzen am Menschen und seinen Bauwerken orientieren und sich diesen anpassen, beobachten Menschen ihre natürliche Umgebung, lernen von ihr und nutzen Fähigkeiten, Techniken, Material und Formgebungen der Natur und ihrer Lebewesen für menschengeschaffene Bauten, Gebrauchsgegenstände, Kleidung, Dekorationsobjekte, Fortbewegungsmittel, Kommunikation und Verhaltensweisen. Neben der Materialkunde und den wissenschaftlichen Studien zur Fortbewegung und Körperdynamik von Vögeln und Fischen bieten den menschliche Konstrukteuren insbesondere die unermeßlich reichhaltigen Formgebungen der Insektenwelt ein unerschöpfliches Anschauungsmaterial für das Design neuer Objekte, von Flugzeug-, Schiffs- und Automobilumrissen über die Sonnenbrillen- und Überwachungskamera-Formgebung bis hin zum Pilotenhelmdesign.

Größtes Interesse kommt unter den Tierbauwerken seit jeher den Nestbau-Konstruktionen der solitär und sozial lebenden Fluginsekten aus der Ordnung der Hautflügler (Hymenoptera / Bienen, Wespen, Ameisen) zu, denn hier findet man sowohl eine erstaunliche Diversität der Bauformen als auch eine zur absoluten Perfektion hin strebende Materialverwendung durch die auf Grund ihrer winzigen Körpergröße und ihres Körperbaues auf den ersten Blick unbeholfen wirkenden Insektenarten. Möglicherweise war es im Verlauf der menschlichen Evolution denn auch die Beobachtung des Nestbaues bestimmter Bienen- und Wespenarten sowie die Entdeckung des Sammelns, Eintragens, Anfeuchtens, Knetens und Verarbeitens irdener Materialien wie Sand, Lehm und Ton durch diese Insekten sowie die Form und Haltbarkeit der daraus konstruierten Nestbauwerke, die die frühen, indigenen Kulturen zum selbständigen Herstellen von Tonobjekten zur Lebensmittel- und Wasseraufbewahrung veranlasste und so den Grundstein für die Weiterentwicklung des jahrtausendealten Keramikhandwerkes legten.







Töpfer-Wespe an Tonnesteingang (Cucuta / Kolumbien) Ton-Wasserkrüge (Berlin / Kolumbien)

Im Rahmen dieser Internet-Publikation des CID-Verlages soll am Beispiel der irdene Baumaterialien verwendenen Insektenarten in Weilmünster (Hessen, Ldkrs. Limburg-Weilburg / Taunus) und Umgebung eine Übersicht über die in Deutschland vorkommenden „Ton-Insekten“ und ihre Bauwerke entstehen, wobei die Ergebnisse der dazu im Sommer 2008 von CID-Forschung begonnenen, naturwissenschaftlichen Studien in dynamisch fortschreitender Weise in den von dieser Homepage aus zugänglichen Blogs präsentiert werden sollen. „Die Toninsekten Weilmünsters“ stellt dabei eine komplementäre Publikation der im Jahre 2002 begonnenen und in der Schriftenreihe Naturwissenschaften ab 2004 präsentierten Übersicht über „Die tonbauenden Insektenarten Kolumbiens“ dar. Dazu wurde im Juli 2008 mit „Die Geschichte der Wespe Eumenes wagnerianus“ die erste Internetpublikation des CID-Verlages zum Thema Entomologie veröffentlicht, gefolgt im Mai 2010 von der Studie „Beobachtungen zur Beute-Lähmung bei Ton-Nest-bauenden Wespen der Familie Eumenidae“.


Eine anschauliche Darstellung tierischer Konstruktionskunst bietet das 1960 erschienene Buch BAUWERKE DER TIERE von Günter Olberg. Bereits über ein halbes Jahrhundert zuvor haben die aufsehenerregenden Beschreibungen der Bauwerke und des Verhaltens tonbauender Hymenopteren in den zwischen 1879 und 1907 von J.H. Fabre zusammengestellten SOUVENIRS ENTOMOLOGIQUES, die 1914 als BILDER AUS DER INSEKTENWELT im Stuttgarter Kosmos-Verlag in deutscher Sprache verlegt wurden, großes Interesse an den grabenden, mauernden und töpfernden Insekten geweckt. Bis heute sind unzählige weitere Einzelbeschreibungen und Sammelwerke über die auch „Potter-Insects“ oder „Alfareras“ genannten Sand-Bienen, Grab-Wespen, Mörtel- und Mauerbienen, Töpfer- oder Lehm-Wespen vorbereitet, geschrieben oder publiziert worden, deren Konstruktionen von einfachen Lehmdeckelchen an Nesteingängen über Brutkammerwandungen, Turmbauten und kunstvoll geformte Topfnester bis hin zu den hochkomplexen, mehrstöckigen Wabennestanlagen mit überraschend exakt geformten Hexagon-Brutkammern aus Ton reichen, die nach bisherigem Wissen allerdings nur von tropischen staatenbildenden Wespen gebaut werden. Die hier begonnene Internet-Artikelserie des CID Verlages soll insbesondere durch die Schwerpunktsetzung auf fotografische Illustrationen zur Vervollständigung des Wissens über die tierischen Baumeister beitragen.


Nestbauwerk aus Ton mit hauchdünner Nestwandung und exakt geformten, feinststrukturierten Hexagon-Waben einer kolumbianischen Wespenart aus der Familie der Eumenidae.


          
 

Hymenopteren-Nester mit Tonkonstruktionen

TON-NESTKONSTRUKTIONEN VON HAUTFLÜGLERN IN WEILMÜNSTER (WEILTAL)


Um Tonnester bauen zu können bedarf es zuerst geeigneter Baumaterialsammelstellen. Sand, Lehm und Ton sind an vegetationsfreien Bodenaufschlüssen zu finden, wie sie in der Natur insbesondere an Landschaftsstrukturen mit erhöhter Erosionseinwirkung wie Gewässerufern und Steilhängen vorkommen. Existieren an so gestalteten natürlichen Standorten gleichzeitig Bodenverhälnisse, die das Graben von witterungsresistenten Nesttunneln bzw. das Anheften von Lehm und Ton an trockenen, festen Untergründen (Stämme, Steine & Felsen) ermöglichen, dann finden Toninsekten dort bei gleichzeitig existierendem Nahrungsangebot und Sonneneinstrahlung ideale Vermehrungsbedingungen.

Durch die Aktivitäten des Menschen und seine Eingriffe in die Natur entstehen zusätzlich künstliche geschaffene Strukturen, die sowohl „anthropogene“ Baumaterialquellen erschließen als auch klimabegünstigte Nestbauplätze und Nahrung zur Verfügung stellen und so die Ansiedlung von Tonnestbauenden Tierarten in der Nähe menschlicher Siedlungen erleichtern und  ermöglichen. Dies hat dazu geführt, daß heute insbesondere in Siedlungsnähe die Arten- und Individuenzahl von Toninsekten beständig ansteigt, die hier in Gärten und Gärtnereien ganzjährig Nahrung vorhanden ist und an menschlichen Bauwerken sowie menschengeschaffenen Strukturen wie Wegrändern, Steinbrüchen, Ackerrainen, unzählige Nistmöglichkeiten bestehen. Trotzdem ist weiterhin die Existenz historischer Baustrukturen, wie sie insbesondere unverputzte Fachwerkhäuser, Gehöfte und Scheunen mit Lehmwänden und unzementierten Natursteinmauern darstellen, Voraussetzung für Vermehrung und Überleben von Toninsekten, denn nur an diesen Stellen können sie mit Sicherheit ungestört ihren ganzjährigen Entwicklungszyklus überdauern, während „technikbedingte“ Nestbauten in Fensterrahmen, Rolllädenöffnungen und Insektenhotels wegen den zu befürchtenden, permanenten menschlichen Eingriffe nicht notwendigerweise diese Vorrausetzung erfüllen. 


Bevorzugte anthropogene Nestbauplatzstrukturen von Toninsekten: Unverputzte Fachwerk-Lehmwände, unzementierte Natursteinmauern, südexponierte, vegetationsfreie Geländekanten an Wegrändern und Abhängen.




Die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung in Weilmünster und Umgebung dokumentierten Nestbaustrukturtypen sind nachfolgend im unter der Adresse


angefügten Nestbauplatzstruktur-Blog zusammengestellt und kurz beschrieben.







Systematische Übersicht der in Weilmünster gefundenen Tonkonstruktionen nach architektonischen Merkmalen
(ohne Arten-Zuordnung)


Die Beobachtung und Bestimmung beziehungsweise Unterscheidung Tonnestbauender Hymenopteren nach artspezifischen Merkmalen erfordert viel Geduld, Ausdauer und ein gewisses Maß an Grundkenntnissen der biosystematischen Arterkennung und Artenzuordnung. Dies umsomehr, da sich die Biosystematik in ständiger Bewegung befindet und sowohl Artnamen als auch die Klassifizierungsgruppen einer permanenten, dynamischen Reorganiosation unterworfen sind, so daß die Spezialkenntnisse und die Erfahrung der Bearbeiter spezieller Artengruppen unverzichtbarer Bestandteil des naturwissenschaftlichen Kenntnisstandes sind. 

Tonnestbauende Hymenopteren erkennen Naturkundler nicht notwendigerweise sofort an ihrem Aussehen sondern erst, wenn es gelingt, diese direkt beim Bau ihrer Tonkonstruktionen zu beobachten. Diese Aktivität beschränkt sich allerdings auf wenige Tage im Jahr, so daß der direkte Nachweis entweder nur zufällig oder aber mit großem Zeitaufwand möglich ist. 

Sehr viel einfacher ist es, mit geübtem Auge die Tonkonstruktionen von Bienen und Wespen aufzuspüren, doch ist die Zuordnung zu einer bestimmten, bauenden Art schwierig, wenn diese nicht wiederholt an dem Nest mit herantransportiertem Baumarterial, Larvennahrung oder Beutevorrat zu sehen ist. Erschwerend bei der Zuordnung der Bauwerke ist zudem, daß Nester von tonbauenden Hymenopteren oft von anderen Hymenopteren aufgesucht und okkupiert werden. 

Im Rahmen dieser Untersuchung der heimischen tonbauenden Hymenopteren soll zudem auf den Fang von Tieren zu deren biosystematischer Bestimmung vollständig verzichtet werden, sowohl um weder den Artenbestand zu dezimieren oder zu gefährden, noch deren Nestbau und Vermehrung zu stören als auch aus ethisch-oökologischen Gründen, denn jedem der hochentwickelten und sensiblen Tiere wohnt eine eigene Seele inne. Eine einigermaßen zutreffende und sichere Artbestimmung und biosystematische Zuordnung ist also zumeist nur als Kombination folgender Beobachtungsdaten möglich:

1. Nestbauplatzstruktur und ökologischen Habitatansprüchen
2. Architektur des Tonnestbaues
3. Körperbaumerkmalen entsprechend der fotografischen Beobachtung
4. kalendarischem Aktivitätszeitraum innerhalb des Jahres

Als architektonische Grundstrukturen aus Ton sind bisher folgende Nester oder Nestbestandteile im Beobachtungsgebiet in und um Weilmünster registriert worden:

1. Kuppelförmige Nestkammern auf Stein- oder synthetischen Oberflächen
2. Zylindrische Nestbrutkammern in Mauerfugen und Steinhöhlungen
3. Dick- bzw. dünnwandige, symmetrische und asymmetrische Vermauerungen bzw. Verdeckelungen von Nesteingängen in Stein, Holz, Lehm oder synthetischem Material 
4. Trennwände aus Ton zwischen parallelen Brutkammern in künstlichen und natürlichen Nesttunneln 
5. Verstärkende Vermörtelungen des Nesttunneleinganges bzw. der eingangsnahen Tunnelwandung in Lehmwänden oder dem Erdboden
6. Turmvorbauten (gerade oder gebogen) über Nesttunneleingängen in Lehmwänden oder dem Erdboden
7. Verstärkungen der Nesttunnelwandungen
8. Bau von unterirdischen Brutkammern aus Ton durch Wandimpregnierung und Materialverdichtung         





Die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung in Weilmünster und Umgebung dokumentierten Nestbaustrukturtypen sind nachfolgend im unter der Adresse 


angefügten Nestarchitektur-Blog zusammengestellt und kurz beschrieben.





Tonnestbauende Hymenopteren



DIE TONNESTBAUENDEN HYMENOPTEREN-ARTEN

Hierzu werden im Rahmen dieser Betrachtung alle Hymenopteren-Arten gezählt, die irdenes Material im Zusammenhang mit ihren Nestbauten bearbeiten. Im engeren Sinne handelt es sich um die sogenannten Töpferwespen und Mauerbienen, welche über die Fähigkeit verfügen, sichtbare Bauwerke aus Lehm und Ton zu formen. Im weiteren Sinne sind hier aber auch solche Arten einzubeziehen, welche in verborgenen, in den Erdboden gegrabenen Bauten ihr Baumaterial so bearbeiten, daß Befestigungen der Nesttunnelwände, des Tunneleinganges und der Brutkammern am Ende der Tunnelgänge entstehen.



 

Familie VESPIDAE

Unterfamilie EUMENINAE



Gattung ANCISTROCERUS




























Familie SPHECIDAE

















Familie APIDAE


Gattung OSMIA







Andrena cineraria
http://www.andrena-weilmuenster.blogspot.de







Species indet. 1















Gattung LASIOGLOSSUM




Lasioglossum sp.  - Species indet. 1
http://www.lasioglossum-weilmuenster.blogspot.de







Lasioglossum sp. - Species indet.
http://www.lasioglossum-weilmuenster.blogspot.de










Mit Tonnestbauenden Hymenopterenarten in Verbindung stehende Hymenopteren

Hierzu zählen die Bienen und Wespenarten, die im Zusammenhang mit Tonnestbauten auftreten, ohne daß deren eigene Bautätigkeit bisher beobachtet oder beschrieben worden wäre. Manche dieser Arten werden als Brutplatz- oder Brut-Parasiten betrachtet, die im Bau befindliche Nester eigentlicher Toninsekten zur Ablage der eigenen Brut verwenden, ohne selbst die begonnenen Bauwerke fertigzustellen. Es existieren auch räuberische Arten, die bereits verschlossene und mit Brut belegte Nester wieder öffnen, wozu sie selbst über die Fähigkeit der Bearbeitung des Baumateriales verfügen müssen. Daneben existieren auch solche Arten, die verbliebene irdene Strukturen verlassener Tonnest-Bauten anderer Hymenopteren als sogenannte "sekundäre Nestbauer" zum Einbau ihrere eigenen Tonnestbauwerke weiternutzen. Es ist auch nicht auszuschließen, daß sich im Rahmen dieser Anpassungen Übergangsformen des Tonnestbau-Verhaltens entwickelt haben, die noch nicht beobachtet und beschrieben sind.





Nomada sp. 1






Nomada sp. 2





 Melecta albifrons



  
Specodes sp. oder Andrena sp.




Species indet. 1
Chrysis sp.













Ein digitales Buch des CID-Verlages im Internet

ZANGER, Peter Ulrich:

DIE TONINSEKTEN VON WEILMUENSTER
CID-Schriftenreihe Naturwissenschaften

1. Auflage. - Weilmuenster : CID-Forschung.
Consultoría – Investigación – Documentación. Private wissenschaftliche Forschungseinrichtung.
April 2012
Copyright ©CID-Verlag, 35789 Weilmuenster, Nassauer Str. 23A
Gestaltung, Typographie und Satz:
CID-Verlag HRA 2720 Limburg
Alle Rechte vorbehalten
Made in Germany
Lektuere und Nutzung des Digitalen Buches sind kostenfrei und unterliegen keinen Einschraenkungen.
Die Kopie bzw. Weiterverwendung der fotografischen Abbildungen ohne Ruecksprache mit dem Autor ist nicht gestattet.


Eine Artikelserie der Internet-Publikationsreihe
`Schriftenreihe Naturwissenschaften`
des CID – Verlages, Weilmuenster


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